Erste Gesichte by Paul Gurk

Erste Gesichte by Paul Gurk

Autor:Paul Gurk [Gurk, Paul]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2016-01-15T00:00:00+00:00


Dreifältigkeit

Alexander Behnisch, der Dichter, sprach zu seinen Freunden, und es schien, als ob die eigenen Worte in ihn hineinsanken wie schwertropfender, berauschender Wein. „Es war an einem Märztage, gegen Abend; aber das Licht hatte schon Kraft genug, um eine leuchtende Dämmerung hinzustellen und sich gegen den Tigersprung der Nacht zu halten. Es goß seine Schalen aus auf den dunkelnden Schild. Seine zerfließenden Güsse rannen in hellen, durchsichtigen und schillernden Farben vom Oben herunter und schwammen zuletzt verrinnend auf dem Gekräusel des Flusses.

Ihr wißt, es ist dies die unwirkliche Stunde um die Frühlingswende, und sie ist voll vom Geist vorausgenommener Wärme. Die Idee des Frühlings ist in Schleiern Körper geworden — ohne schweren Dunst und ohne Regen, voll von Erde. Damals war es so, daß der letzte braunrote Rauch aus den Schornsteinen das Schwerste und am meisten Irdische zu sein schien.

Die Fabriken hatten ihre Eingeweide herausgerissen und auf die Straße geschüttet. Die letzten Maschinen röchelten. Der Ruß aus den Lungen der Feuerungen sank zusammen. Über die Stadt war die Stille des Lichts und der fließenden Dämmerung gebreitet. Aber die Halbkugel der Ruhe stand auf der Scheibe des Lärms.

Denn die Straßen quollen über von Menschen und von Sprache und von Dunst. Es kam mir aber ein, wie häßlich und verworfen die Worte in diesen dunklen, steinernen und verstopften Adern waren. Sie fielen zerschnitten, eckig, herausgespien auf das Pflaster gleich den Apfelschalen und Nußgehäusen. In ihnen waren Worte von aufgeregter, maschinenmäßig empörender Papiergesinnung, gleichbedeutend mit den zusammengeknüllten und zerrissenen Zeitungsfetzen, aus denen ihr Pathos der Unzufriedenheit stammte. Die Gemeinsamkeit des Lärms vermischte sich aus allen offenen Türen und durchdrang selbst die dicken Scheiben der Kneipen. Eine schmutzige Sprachbrühe schwamm überall. Auf ihrem Gossenstrom wirbelte grell und schreiend das Licht eines Gelächters oder einer Kraftwortschöpfung, die als belebendes Fett von einem Kreise von Menschen heruntergeschluckt wurde, — ein Kreis, der sich aus Pfeifenqualm, Orchestriongewälze und Biergeruch mit Würfelgeknöchel zusammentrudelte ...“

„Entschuldige,“ — der sanfte Andreas Lotzki kam blaß und verträumt durch die Ringe einer Zigarette, — „entschuldige wirklich. Aber es ist doch wohl möglich, daß du an diesem Abend besonders ästhetisch parfümiert warst.“ Der Dichter sah ihn erwachend an.

Der dunkle Marcus: „Es ist unmoralisch, einen Schriftsteller zu verhindern!“

Und der gütige Dietrich Kreuziger, den sie in der übermütigen Bosheit einer Atelierweinlaune (er war aber ein Maler) Kardinal Bembo genannt hatten, fügte hinzu: „Wir bitten dich also fortzufahren.“ —

Der Dichter sah ihn nachdenklich an. Dann glättete er seine Stimme zurecht und sprach weiter.

„Andreas hat nicht ganz abirrende Pfeile verschossen. Ein feiner Verdruß vergällte mir den Abend! Dies Gefühl des Unmuts war um so tiefgehender und stärker, als es nur ästhetischer Art war und also kaum durch eine Tat oder durch eine geschickte Aufeinanderfolge von Schimpfworten zu beleben war. Es kam mir bitter ein, wie so wenig die Kuppel der Ruhe und Schönheit zu der Grundlage des Schmutzes und der Gemeinheit passen wollte! — Dann aber — genau genommen trotzdem — kränkte mich die Naivität und Selbstverständlichkeit dieses unschönen Lebens. Es erstaunte mich, daß alle diese Massenmenschen aufeinander



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